»Holzrocker« bringen Kirche zum Beben
»Holzrocker« bringen Kirche zum Beben

09.06.2025 - Oberhessische Zeitung
»Holzrocker« bringen Kirche zum Beben
Großes Pfingstkonzert begeistert das Publikum in der Stadtkirche
Vogelsbergkreis (eig). »Das ist schon toll, wenn man in so volle Ränge blicken kann«, zeigte sich Claudia Regel als künstlerische Leiterin der Lauterbacher Pfingstmusiktage begeistert über den diesjährigen Auftakt der traditionsreichen Musikreihe. Denn das Eröffnungskonzert, das nach sechs Jahren wieder einmal in der Evangelischen Kirche in Frischborn stattfand, hatte bereits am Vortag »Ausverkauft« melden müssen und jeder Sitzplatz war besetzt.
Und das dürfte sicherlich nicht nur an der allgemeinen Vorfreude auf die nunmehr 51. Lauterbacher Pfingstmusiktage gelegen haben, sondern auch an dem musikalischen Ensemble, das am späten Samstagnachmittag seine Galavorstellung gab. Wobei man die drei Musiker von »Wildes Holz« durchaus nicht als gewöhnliches Instrumentalensemble bezeichnen kann, sondern (was sie auch selbst tun) eher als Band.
Eine Band, die allerdings nicht mit E-Gitarre und Verstärker die Bühne rockt, sondern mit Kontrabass, Gitarre - und Blockflöte. Das vermeintliche Anfängerinstrument für Kinder bei einer Band in Verwendung zu sehen, deren Mitglieder bei ihrem Auftritt auch schon mal ins Headbanging geraten, zeigt aber nur zu gut, dass sich »Wildes Holz« erfreulicherweise wenig um Konventionen und Genregrenzen scheren.
Seit 25 Jahren sind Blockflötist Tobias Reisige und Kontrabassist Markus Conrads (mit kräftigem Rauschebart) musikalisch »auf dem Holzweg« und genau so haben sie ihr Jubiläumsalbum genannt, aus dem sie in Frischborn spielten. Komplettiert wurde das Trio durch Akkustikgitarrist Johannes Behr, der vor vier Jahren zu »Wildes Holz« stieß, nachdem Mitgründer Arno Karaula 2018 plötzlich verstorben war und zwischenzeitlich Djamel Laroussi mitgewirkt hatte.
Neben den Eigenkompositionen verblüffte das Trio vor allem durch seine ausgefallenen und doch gelungenen Coverversionen bekannter Pop- und Rock-Songs. Wobei ein reines Nachspielen schon allein aufgrund der Instrumentierung nicht drin war, denn eine Blockflöte ist nun mal keine E-Gitarre. Vielmehr hatten Reisige, Conrads und Behr ersichtlich ihren Spaß daran, die verschiedenen Musikstücke nach allen Regeln der Kunst zu »verholzen«.
In ihrer Spielfreude hielt es die drei auch nicht immer fest auf der Spielfläche, etwa als Reisige beim Steppenwolf- Klassiker »Born To Be Wild« eine Runde durch das Kirchenschiff drehte und dem begeisterten Publikum dabei ganz nahekam. Und bei der reichlich schräg-wilden Interpretation von »Major Tom (Völlig losgelöst)« stimmten viele gleich mit ein. Dazu passte der bekannte Hardrock-Song »The final Countdown«.
Aber auch die klassische Musik sah sich auf die »Wildes-Holz-Art« neu interpretiert, etwa das bekannte Menuett von Luigi Boccherini. Auf die Repertoirewechsel war die Band bestens vorbereitet. Um die tiefen Töne spielen zu können, kam eine mächtige Großbassblockflöte zum Einsatz, während andererseits der große Kontrabass einem kleinen Sopran-Mini-Kontrabass wich.
Auf die Bandgeschichte, die nach eigenem Bekunden »jeden Abend besser« wird, kamen die drei wiederholt zurück. Begonnen hatte demnach alles in einer Jugendherberge in Ungarns Hauptstadt Budapest, wo die drei an Konzerten ihrer Musikschule teilnehmen und sich abends auf dem Zimmer überlegten, ob man die gleichen Lieder doch einfach nur mit Kontrabass und Blockflöte vortragen könne. Einen alten Jazzklassiker von damals führten sie sogleich noch auf.
Eine Referenz an ihren Mitgründer Karaula stellte der »Moretti-Swing« dar, benannt nach einer italienischen Biermarke und zugleich eine Erinnerung an die früheren gemeinsamen Straßenmusik-Auftritte in der Toskana. Und auch der frühere Bandkollege Laroussi war über sein Lied »Jannis« im Programm vertreten. Gewisse Parallelen zur Karriere als Blockflötist machten »Wildes Holz« im US-Actionfilm »Rocky IV« aus, dessen Titelmelodie Reisige mit seiner viereckigen Bassblockflöte spielte.
Den AC/DC-Ohrwurm »Highway to Hell«, der in diesem Fall eindeutig als »Holzweg to Hell« daherkam, begleitete das längst von »Wildes Holz« faszinierte Publikum durch sein Klatschen. Und geradezu legendär ist es, dass »Wildes Holz« seine Konzerte mit der Kinderfilm-Melodie von »Pippi Langstrumpf beendet. Ganz eindeutig: Diese drei genialen »Holzrocker« waren wirklich alles andere als Holzklasse.
Quelle: Oberhessische Zeitung, "»Holzrocker« bringen Kirche zum Beben", 09.06.2025