Lebensweisheiten am Klavier

William Wahl bietet zum Abschluss der Pfingstmusiktage musikalisches Kabarett vom Feinsten

Lauterbacher Anzeiger: "Lebensweisheiten am Klavier" - 23.05.2024
Mit seiner Mischung aus Kabarett und Klaviermusik brachte William Wahl sein Publikum in der Adolf-Spieß-Halle in Stimmung. Foto: Eigner

23.05.2024 - Lauterbacher Anzeiger

Lebensweisheiten am Klavier

William Wahl bietet zum Abschluss der Pfingstmusiktage musikalisches Kabarett vom Feinsten

Lauterbach (eig). »Nachts sind alle Tasten grau« hieß das Programm zum Abschluss der Jubiläumsauflage der Lauterbacher Pfingstmusiktage am Montagnachmittag in der Adolf-Spieß-Halle. Die mit dem Titel verbundene Anspielung auf Katzen und Kater war natürlich ironisch und mit einem Augenzwinkern zu verstehen, denn grau war das Finale der 50. Pfingstmusiktage ganz und gar nicht. Vielmehr ließ der auftretende Solist William Wahl das Publikum in der ausverkauften »guten Stube« der Kreisstadt sich nicht bloß dem Klanggenuss hingeben, sondern startete auch einen geistreichen Angriff auf dessen Lachmuskeln.

Spätestens als Wahl in der ersten Zeile seines Liedes von der Scheibe Käse sang, die sich sanft zum Tellerrand neigte, und bekannte, seinen Traum ohne Blick auf den Kontostand zu leben, war klar: Dies würde kein gewöhnlicher Konzertabend sein, sondern Klavierkabarett vom Feinsten. Der Künstler erzählte von seiner Herkunft aus Köln. Über seine Stadt gäbe es zahlreiche Klischees hinsichtlich etwa des Karnevals oder des Klüngels. Das sollte sich jeder lieber selbst anschauen, anstatt vorschnell zu urteilen – denn in Wirklichkeit sei es noch viel schlimmer.

»Es wird wohl wieder GamesCom sein…«, besang Wahl auch die alljährlich in der Domstadt am Rhein stattfindende weltgrößte Computer- und Videospielmesse – »Die ganze Stadt voll Nerds und keinen stört’s«. Es herrsche während der Tage im August »die pure Lebenslust, auch wenn man nachher kärchern muss«. Überhaupt, die Digitalisierung lieferte dem Klavierkabarettisten reichlich Stoff für seine Beiträge, etwa in seinem Lied »1-0-0« über die Wirkungsweise von Algorithmen. Auch Online-Singlebörsen und Dating-Plattformen arbeitete er in seinen Gesang ein. Nicht ohne die älteren Semester im Publikum über die Symbolik in Chatverläufen zu belehren: »Emojis sind auf Ihren Schreibmaschinen nicht installiert.«

Auch über die Midlife-Crisis ließ sich Wahl in seinem Programm aus. Die sei etwa zu vergleichen mit dem Gefühl, sich unter einen teuren Oldtimer-Porsche zu legen und beim Restaurieren den Geruch von Motoröl zu verspüren, während man in der Realität mit seinem SUV zu ATU fahre, um die Fußmatten auszutauschen. Den Fahrerinnen und Fahrern großer Stadtgeländewagen hatte Wahl gleich ein eigenes Lied gewidmet. Schließlich komme einem beim morgendlichen Eltern Taxi zum Kindergarten beim Anblick der vorfahrenden SUVs schon einmal der Gedanke: »Welches NATO-Mitglied hält denn morgens eine Truppenübung vor der Kita ab?«

Als eines seiner Vorbilder bezeichnete der Solokünstler Udo Jürgens. Dessen Repertoire habe für ihn in jungenJahren Rentnermusik dargestellt, dabei handele es sich um bissige Gesellschaftskritik in der Verpackung eines Schlagers. »Das hat vor und nach ihm niemand mehr geschafft«, so Wahl, der anschließende eine Variante von Udo Jürgens‹ »Griechischer Wein« spielte, die dieses Mal in einer Shisha-Bar statt in einer Taverne angesiedelt war. Denn bereits das Original hatte die Schicksale von damals als »Gastarbeiter« bezeichneten Menschen zum Thema gemacht.

Die Fünf-Sterne-Bewertungen auf Onlineportalen nahm Wahl im zweiten Teil seines Abends auf die Schippe, doch auch um heikle Themen wie »Hitlers Geburtstag« und die Frage, wie man sich fühlt, wenn man an einem 20. April geboren ist, machte er keinen Bogen. Ein Liebeslied richtete Wahl an seine »Frau fürs Grobe«: »Da liegt Staub, und sie saugt.« Auch das Für und Wider um geschlechtersensible Sprache verarbeitete Wahl in einem Lied über Innenarchitekt*innen und Außenarchitekt*innen.

Eine kleine Zugabe sparte sich Wahl nach dem großen Applaus am Ende auf, denn: »Die Zugabe ist ja der Teil des Programms, für den Sie gar nicht mehr bezahlt haben.« Stattdessen hob er noch ein mal zum Reggae-Tanzabend mit DJ in der Seniorenresidenz – »Wenn der Beat bebt und die Hörgeräte heruntergedreht werden«. Die Mischung aus Komik und Poesie, garniert mit Klavierklängen, erwies sich als würdiger Abschluss der Jubiläumskonzerte. »Bis zum nächsten Jahr!«, diesen mit Vorfreude auf die 51. Lauterbacher Pfingstmusiktage 2025 gemischten Abschiedsgruß konnte man auf den Fluren der Adolf-Spieß-Halle mehr als nur einmal hören.

 

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Lebensweisheiten am Klavier", 23.05.2024

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