Nie den Bogen überspannt

Furioser Auftakt der Pfingstmusiktage mit dem Streichquartett »La Finesse«

Lauterbacher Anzeiger: "Nie den Bogen überspannt" - 21.05.2024
Die vier Damen von »La Finesse« (von links ) Yaroslava Skirska, Nataliya Kulchytska, Olga Hüb- ner und Birgit Saeman sind auf der Bühne nicht zu bremsen. Foto: von Dietze

21.05.2024 - Lauterbacher Anzeiger

Nie den Bogen überspannt

Furioser Auftakt der Pfingstmusiktage mit dem Streichquartett »La Finesse«

Lauterbach (ditt). Eine erste Kostprobe des vielseitigen Repertoires von »La Finesse« konnten die Gäste bereits beim Festakt zur Eröffnung der 50. Lauterbacher Pfingstmusktage kurz zuvor genießen und vielleicht schon erahnen, was da an einem musikalischen Feuerwerk noch auf sie zukommen würde.

Nach der Begrüßung weiterer Musikliebhaber durch die künstlerische Leiterin Claudia Regel konnte sich das Publikum an der klangvollen Umsetzung des Sommers aus den »Vier Jahreszeiten« von Antonio Vivaldi durch die ganz in rot gekleideten Damen erfreuen. Abwechselnd führten sie selber durch das Programm, wobei Birgit Saemann, die alle musikalischen Interpretationen der Gruppe selbst arrangiert, mit dem optisch äußerst präsenten Violoncello und ihrer künstlerischen »Wallemähne« besonders ins Auge stach. In lockerer Erzählweise berichtete sie, dass sie und ihre Weggefährtinnen die Jugendzeit eben nicht am Strand, sondern eher Tonleitern übend verbracht hätten.

Die Künstlerinnen nahmen die Zuhörer mit auf eine Reise durch die klassische Musik - gerne auch mal für einen Moment mit geschlossenen Augen – und riefen dann Filmmelodien wie den »Dritten Mann« mit nachgeahmter Zither sehr lebendig in Erinnerung. Für das prägnante Geräusch beim Weiterbewegen der mechanischen Schreibmaschine in die nächste Zeile fand sich spontan ein mutiger Mann aus dem Publikum, der den »Bing«-Klingelton bei »Typewriter« im Zusammenspiel mit den vier Streichinstrumenten perfekt setzte und anschließend mit reichlich Applaus belohnt wurde. Spätestens die leidenschaftliche Interpretation von Queens »Bohemian Rhapsodie« brachte dann die Zuhörerinnen und Zuhörer zum Dahinschmelzen. Man staunte darüber, wie gut das ursprüngliche E-Gitarren-Solo auf Violine übertragen, so viel Gänsehaut verursachen konnte.

Vor der Pause verriet Birgit noch, dass dieser Auftritt für ihr jüngstes Ensemble-Mitglied »Yaroslava« die persönliche Premiere bedeutete und sie insgesamt ihre Besetzung zwar immer wieder mal wechselten, aber das Zusammenspiel als jeweiliges Team neben der Virtuosität auf unbedingten Einfühlungsvermögen und Vertrauen basiere.

Kaum, dass die Musikliebhaber einen guten Tropfen kosten und das frischgebrannte Popcorn naschen konnten, ging es mit den nun völlig in schwarz gekleideten Damen und samt futuristischen LED-Lichtern an ihren Bögen und den Klängen aus »Star Wars« schon weiter im Programm. Ein Höhepunkt folgte auf den nächsten – unter anderem auch dank der von Birgit sehr eindrucksvoll gespielten »Singenden Säge« deren Tonhöhe durch kräftezehrendes Biegen des Sägeblattes verändert wird. Auch hierzu wusste die Künstlerin eine Anektode zu berichten: Bei einem Engage ment auf Norderney mitten im schönsten Ausritt am Meeressstrand sei ihr plötzlich eingefallen, dass sie eben dieses besondere Instrument in Würzburg vergessen habe. Was tun, um abends im Konzert doch noch damit auftreten zu können? »Wir sind zwar eine Insel, haben aber einen Baumarkt. Da wird doch was zu finden sein!«, so die beruhigende Antwort. Und tatsächlich hatte sich mit einer Styroporsäge aus Schweden unter 17 verschiedenen Modellen ein geeigneter Ersatz gefunden, der immer noch als »eiserne Reserve« mit auf Reisen geht.

Nach »grenzenloser« Musik wie »Tiger Dragon«, aber auch »Spiel mir das Lied vom Tod« verabschiedeten sich die vier Damen von »La Finesse« mit einem »Catwalk« in einer mitreißenden Mischung aus Klassik und Pop und den sechs bekanntesten Melodien, die so manchen Besucher zum Mitschwingen und Staunen veranlassten.

Und natürlich durften sie ohne Zugabe die Bühne nicht verlassen. Sie wussten mit »Viva la vida« von Cold Play ihr Publikum restlos zu begeistern und entschwanden danach, den Bogen streichend, die Stufen zum Vorraum des Kinos hinaufsteigend, den Blicken der Zuschauer, wo sie dann anschließend für so manche Fragen der interessierten Musikliebhaber noch geduldig Rede und Antwort standden. »Das war mal wirklich ein außergewöhnliches musikalisches Erlebnis!«, waren sich die begeisterten Besucher einig.

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Nie den Bogen überspannt", 21.05.2024

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