Lass Dich auf Händen tragen
VOCES8 werden in Lauterbach und weltweit gefeiert
21.05.2024 - Lauterbacher Anzeiger
»Lass dich auf Händen tragen«
Pfingstmusiktage: VOCES8 werden in Lauterbach und weltweit gefeiert
LAUTERBACH (eig). Ausverkauft bis auf den allerletzten Platz und den hintersten Winkel präsentierte sich die Lauterbacher Stadtkirche am Samstagabend anlässlich der diesjährigen Lauterbacher Pfingstmusiktage. Nicht wenige der anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer hatten sogar zum allerersten Mal überhaupt eine Eintrittskarte für die traditionsreiche Musikreihe erworben, die dieser Tage ihr 50-jähriges Bestehen feierte.
Und das lag ohne Zweifel an dem Ensemble der Superlative, das an diesem Abend in den ehrwürdigen Mauern des Gotteshauses auftrat. Denn die englische Gesangsformation VOCES8 gehört wohl zu den besten a-capella-Ensembles der Welt – und das ohne Übertreibung: Im vergangenen Jahr wurden VOCES8 sogar für den begehrten Grammy Award (in der Kategorie »Best Classical Kompendium« nominiert).
Kori Miller (Sopran), Eleonore Cockerham (Sopran), Katie Jeffries-Harries (Alt), Barnaby Smith (Altus und künstlerischer Leiter), Blake Morgan (Tenor), Euan Williamson (Tenor), Christopher Moore (Bariton), Dominic Carver (Bass) haben selbstredend auch online bereits eine große Fangemeinde mit weit über einer Viertelmillion Abonennten allein bei YouTube und vielen Millionen Zugriffen. Sogar bei der Netflix-Erfolgsserie »The Crown« traten sie schon auf und nennen überdies eine Stiftung und ein Musiklabel ihr Eigen. Doch es ist ein unvergleichliches und eigentlich gar nicht wirklich zu beschreibendes Erlebnis, die drei Sängerinnen und fünf Sänger live zu sehen und vor allem zu hören.
VOCES8 sind dabei in so ziemlich allen Musikepochen zuhause. Ihr Konzert in der Lauterbacher Stadtkirche begann mit der über 400 Jahre alten Hymne »O Clap Your Hands« von Orlando Gibbons. Dabei zeigte sich schon der eigene Stil, der dieses Ensemble so besonders macht. VOCES8 ließ seine acht einzelnen Stimmen sich zu einem nahezu perfekt aufeinander abgestimmten und ins Gleichgewicht gebrachten Klang vereinen. Fast konnte man glauben, die acht wären dabei auch in ihren Gedanken in jedem Moment miteinander verbunden. Auch die Körperhaltung, Bewegung und Gestik waren stets stimmig und zugleich lebendig.
Beim »Ave Maria« gingen VOCES8 zwischen den verschiedenen Bearbeitungen dieses Themas von Giovanni Pierluigi da Palestrina, Igor Stravinsky, Sergei Rachmaninoff und Arvo Pärt – immerhin vier Jahrhunderte auseinander liegen – harmonisch ineinander über. Die stets gleich hoch – mit derBetonung auf hoch – bleibende Qualität zeigte sich außerdem in der hymnischen Lobpreisung von William Byrd auf die englische Renaissance-Königin Elisabeth I. (»O Lord, make thy servant Elizabeth our Queen«) und dazu passend dem Madrigal »As Vesta was from Latmos hill descending« von Thomas Weelkes. Wiederum königlich in gleich mehrfacher Hinsicht kamen die »Choral Dances« aus der 1953 zur Krönung von Elisabeth II. verfassten Oper »De Gloriana« von Benjamin Britten daher.
Ineinander verschmelzenden sphärischen Gesang bot im zweiten Abschnitt die Darbietung von »Regina Caeli« von Tomás Luis de Victoria. Beim »Ave maris stella« ließen VOCES8 wiederum die Kompositionen von Edvard Grieg und Philipp Stopford aus verschiedenen Jahrhunderten ineinander verschmelzen. Auch bei »O Nata lux« von Thomas Tallis und »Night prayer« von Alec Roth gelang dem Ensemble gekonnt der Sprung vom 16. ins 20. Jahrhundert. Andächtig-anrührend mit einem Schuss Erhabenheit wirkte »Ubi caritas« in den Fassungen von Maurice Duruflé und Ola Gjeilo – letzterer ist ein guter Freund der Mitglieder von VOCES8.
Die vokale Wellnesskur endete mit vertonter Liebe: »Love Endureth« von Roxanna Panufnik – beschloss das Konzert. Minutenlang anhaltender Applaus tobte durch das Kirchenschiff.
Die Sängerinnen und Sänger von VOCES8 waren auf diese begeisterte Reaktion auf zwei Stunden gesanglichen Hochgenuss aus eigener Erfahrung offenkundig schon bestens vorbereitet. Denn sie hatten einehochkarätige Zugabe im Gepäck – und das auch noch auf Deutsch. Beim Oratorium »Elias« von Felix Mendelssohn-Bartoldy begeisterten sie mit der Zeile »Lass dich auf Händen tragen«. Eine Zeile, die sinnbildlich noch einmal das ganze Können der britischen Gesangskünstlerinnen und -künstler widerspiegelte.
Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Lass dich auf Händen tragen", 21.05.2024