Leere Flaschen voller Klang in Lauterbach
13.06.2019 - Lauterbacher Anzeiger
Leere Flaschen voller Klang in Lauterbach
Deutschlands Flaschen-Boy-Band „GlasBlasSing“ servierte im ausverkauften Posthotel Johannesberg einen „Flaschmob“ mit DIY-Effekt
LAUTERBACH (lb). „Volle Pulle“ zum Abschluss der Lauterbacher Pfingstmusiktage: Deutschlands coole Flaschen-Boy-Band „GlasBlasSing“ aus Berlin schöpfte aus dem Vollen und servierte im ausverkauften Posthotel Johannesberg einen „Flaschmob“ mit DIY-Effekt (do it yourself), der sich gewaschen hatte.
Das hatte die Kulturszene im Vogelsberg wahrlich noch nicht erlebt. Die Bühne zu einem Konzert glich am hellichten Montagnachmittag eher einem reichlich bestückten Getränkekeller mit gestapelten Bierkisten, grünen, braunen und glasklaren Glas- und Plastikflaschen, mehreren Wasserspendern und spannenden Flaschenstellagen. Kurzum - feinstes Pfandwerk in unterschiedlichen Größen, teils leer, teils noch gefüllt. Schnell entlockte das Sammelsurium den wachsamen Augen im Publikum die Assoziation zu einer hochprozentigen Party und zauberte ihnen gleichsam ein Lächeln ins Gesicht.
Mit Schlag 15 Uhr trat Tim Brod ein etztes Mal zur Begrüßung der Musikfestivalbesucher aus dem Hintergrund ervor, ließ noch einmal die vergangenen acht Konzerte der Pfingsttage in wenigen Sätzen Revue passieren und vollendete den Part mit tiefgründigen Dankesworten an die künstlerische Gesamtleitung von Claudia Regel sowie an all ihre Unterstützer vor und hinter den Kulissen.
Getreu der Weisheit „Stille Wasser sind tief“ übernahmen im Anschluss die vier Tonkünstler David „Möhre“ Möhring, Frank Wegner, „Fritz“ Jan Lubert und „Andy“ Andreas Lubert von „GlasBlasSing“ die Bühne und legten los. Im Mix von Comedy, Kabarett und Gesang präsentierten die Blasmusiker ein grandioses Flaschenmusikprogramm mit hammermäßigen Instrumenten-Kreationen wie der „Cokecaster-Flaschengitarre“, dem „Flachmanninoff-Xylophon“ und gleich mehreren großen „Wasserspender-Floor-Toms“ mit ordentlich Beat und Bass.
„Der liebste Gang für uns ist ja zum Getränkemarkt. Und die gibt es ja wahrlich in Vielzahl und überall“, schwärmte das Grüppchen über sein globales Schlaraffenland für Musikinstrumente und legte los. Hier ein Klimpern, da ein Klappern und ganz viel Flöten in harmonisch gestimmter Tonlage, Klangfülle, wie man es niemals zu glauben gewagt hätte. Meisterlich hatten die Jungs den Sp(i)rit des Pops, Blues, Rumba, von Uptempo-Rocksongs bis hin zur Klassik im Blut und unterzogen dabei gar manchen dahinsiechenden Song aus dem Radio einer rundum gelungenen Generalüberholung.
Kein Wunder also, dass das Lied vom Sellerie den Lauterbachern auf die Sprünge helfen durfte. Die musikalische Vortragsbezeichnung „Accelerando“ eines russischen Volksliedes mal so ganz nebenbei zum „Techtelmechtel der glutäugigen Katja“ erklärt wurde und Grönemeyers „Was soll das?“ keineswegs als „Gute-Laune-Song“ deklariert wurde. Dafür schienen dann wohl eher Lieder wie „An der Nordseeküste“ von Klaus und Klaus, das selbsterklärende „Happy“ und vor allem ein himmlisch zelebriertes Cohen „Hallelujah“ gepaart mit Whoopy Goldbergs „Sing Hallelujah“ geeignet, war sich Fritz mit Top-Laune sicher. Die Vollblutmusiker jedenfalls gaben alles, die verkannte Musikqualität von Leergut ins rechte Licht zu rücken.
„Lauterbach ist gerade auf dem Weg, in der Liste der Musiker eine schöne Stadt zu werden“, schürten die Musiker die Hoffnung mit sichtbarem Spaß am Flaschmob. Zur Freude anwesender Zuhörer verrieten die Protagonisten auch gleich die chemische Formel eines schwedischen Wissenschaftlers für gute Laune. Und die Non plus Ultra Alternative für Menschen mit Fleischpeitschen (große Hände) und Lust zum Flaschmob mit orthopädischen Instrumenten.
Wenn es jetzt also im Vogelsberg kein Leergut mehr gibt, kann das nur eines bedeuten: Der Flaschmob zeigt seine Wirkung – die Bevölkerung macht Musik und bringt ihre Getränkekeller zum Grooven.
Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Leere Flaschen voller Klang in Lauterbach", Link zur Quelle, 13.06.2019