Der Chor erwies sich als überraschender Star des Konzerts
Festliches Konzert am Sonntagabend mit Mozart und dem Chor der Pfingstmusiktage - Ausdrucksstarke Solisten bewiesen ihr Können
erschienen bei Lauterbach-Anzeiger am 29.05.2012
von Klaus Scheuer - LAUTERBACH. Mit Wolfgang Amadeus Mozarts Jupiter-Sinfonie und der Großen Messe in c-moll standen zwar zwei weniger ausgefallene Werke auf dem Programm des festlichen Pfingstkonzertes im Jubiläumsjahr der Lauterbacher Pfingstmusiktage, doch dies tat dem festlichen Charakter der Veranstaltung keinen Abbruch, die traditionsgemäß die Lauterbacher Stadtkirche mit strahlenden und erhebenden Klängen füllt und dabei ein Gastorchester zusammen mit der Lauterbacher Kantorei auf die Bühne holt.
Auch in diesem Jahr versetzte das festliche Konzert Publikum wie Mitwirkende in Feststimmung, die bei letzteren sicherlich zu der beachtlichen musikalischen Leistung beitrug. Vorweg: Die Lauterbacher Kantorei befindet sich auf der Höhe ihrer Schaffenskraft, der Wechsel des Dirigentenstabs von Karin Sachers zu Claudia Regel ist vollzogen, und alte wie neue Chorsängerinnen und Sänger bilden eine klangkräftige Einheit, welche die musikalischen Herausforderungen von Mozarts c-moll-Messe mit Bravour meistern kann. Die erste Konzerthälfte gehörte zunächst dem Gastorchester, dem Orchester Concerto Classico Frankfurt unter der Leitung von Christoph Siebert, einem der führenden Ensembles für historische Aufführungspraxis im Rhein-Main-Gebiet. Interessant, wie selbstverständlich der Umgang mit historischen Instrumenten inzwischen geworden ist, wie schlüssig deren Verwendung auch für den nicht spezialisierten Hörer, Mozarts letzte sinfonische Komposition, die Jupiter-Sinfonie in C-Dur erklingt in der historischen Besetzung wunderbar transparent und klanglich ausgewogen. Die dynamische Konstitution der historischen Instrumente scheint besser aufeinander abgestimmt, als die ihrer modernen Weiterentwicklungen. die Hörner fügen sich homogen in den Satz der Holzbläser, die Flöte entwickelt eine erstaunliche Klangfülle
und die Trompeten strahlen in sauberer lntonation ohne zu blenden. Das Werk entwickelt sich kompositorisch auf den Schlusssatz hin, einem kontrapunktisch gestalteten Allegro, in dem das Orchester perfektes Zusammenspiel sensible Interaktion unter Beweis stellte.
Nach der Pause stand Mozarts Große Messe in c-moll für Soli. Chor und Orchester in der Fassung von Robert Levin auf dem Programm und mit ihr der gut achtzigköpfige Chor der Lauterbacher Pfingstmusiktage. Die historische Besetzung des Orchesters kam dem Chor sicher entgegen. denn das Klangvolumen des Instrumentariums ließ genügend Raum für den Chorklang. Auch die vier Solisten Gabriele Hierdeis und Heike Heilmann (Sopran), Christian Dietz (Tenor) sowie Christoph Kögel (Bass) profitierten von dem maßvollen Klangvolumen des Orchesters, was sie in die Lage versetzte, mit differenzierter Dynamik zu interpretieren. Gabriele Hierdeis, in Lauterbach keine Unbekannte mehr, zeigte wieder einmal, wie ausdrucksstark ihre Stimme auch in extremen Tonlagen zu klingen vermag, die Sopranistin Heike Heilmann entwickelte ein bestechendes Klangvolumen, das sich in den Duopassagen perfekt mit Hierdeis‘ Timbre mischte. Tenor Christian Dietz interpretierte ohne Pathos und mit natürlicher Tongebung und Bassist Christoph Kögel passte sich homogen in die einzige Quartettpassage der Messe ein. Auch die musikalischen Interaktionen zwischen Vokal- und Instrumentalsolisten war spannungsreich und beeindruckend,
wie etwa im Credo, einem Quartett von Sopran (Gabriele Hierdeis) mit Flöte, Oboe und Fagott.
Die musikalische Hauptrolle spielte jedoch ohne Zweifel der Chor der Lauterbacher Pfingstmusiktage. Schon mit dem ersten Einsatz im Kyrie stellte er dies klar. Claudia Regel hat hier eine sehr erfolgreiche Probenarbeit geleistet. Sicher und souverän füllt der Chor seine Rolle aus, in klanglicher Balance‚ mit rhythmischer Sicherheit und selbstbewussten Einsätzen. Zudem ist er in der Lage, beeindruckende musikalische Spannungsbögen zu erzeugen
und zu halten. Ein Chor, der in der Lage ist Orchester wie Solisten klanglich zu tragen und nicht bloß Klangkulisse zu bilden, so war es stets Karin Sachers Ideal, und hier ist nun auch Claudia Regel angekommen, die es sich an diesem Abend erlaubte sich ganz entspannt in die Reihen der Chorsänger zu begeben. Unter dem chorfreundlichen Dirigat von Christoph Siebert‚ der hier seine Erfahrungen als Lehrbeauftragter für Chorleitung an der Frankfurter Musikhochschule unter Beweis stellte, gelangen die Choreinsätze. ob mit oder ohne Orchester überzeugend und sicher. Die klangliche Ausgewogenheit zwischen Frauen- und Männerstimmen gelang nahezu perfekt, was hier im Männerregister an Volumen fehlte, passte andererseits zur historischen Klangvorstellung des Orchesters, das in der Tenor- und Basslage auch eher auf klangliche Differenziertheit denn auf Klangstärke setzte. Auch die colla parte-Passagen der tiefen Bläser kamen so gut zur Geltung und trugen zur farbigen Klanggestaltung bei.
Im Programm des festlichen Pfingstkonzertes war es sicherlich Wolfgang Amadeus Mozan. dem man die Hauptrolle des Abends zugedacht hatte. Schließlich ist er ein Star. Doch auch Stars kann man die Hauptrolle streitig machen. an diesem Abend schaffte das der Chor der Lauterbacher Pfingstmusiktage.
Quelle: Printausgabe Lauterbacher Anzeiger, "Der Chor erwies sich als überraschender Star des Konzerts", Link zur Quelle, 29.05.2012