Opulentes Werk in der Stadtkirche

Joseph Haydns Schöpfungsgeschichte zeigt ihre Aktualität bei den Pfingstmusiktagen

Die Schöpfung
Die Schöpfung hat auch 225 Jahre nach der Uraufführung nichts an ihrer Faszination verloren. Das beweisen der Chor der Lauterbacher Pfingstmusiktage, die Solisten und das Orchester „L’arpa festante“. Foto: Karen Liller

31.05.2023 - Lauterbacher Anzeiger

Opulentes Werk in der Stadtkirche

Joseph Haydns Schöpfungsgeschichte zeigt ihre Aktualität bei den Pfingstmusiktagen

Von Karen Liller

LAUTERBACH. In der Stadtkirche fand am Sonntagabend ein festliches Pfingstkonzert statt, präsentiert vom Chor der Lauterbacher Pfingstmusiktage unter der Leitung von Susanne Rohn mit dem Orchester „L’arpa festante“ und den Solisten Anne Schneider, Hans Jörg Mammel und Markus Lemke. Das Thema des Konzertabends war nichts Geringeres als die Erschaffung der Welt. Was Gott in sechs Tagen erledigt hatte, kostete Joseph Haydn knapp zwei Jahre: Von 1796 bis 1798 arbeitete Haydn an diesem Oratorium, in dem er die Schöpfungsgeschichte der Bibel klanglich umsetzte. Das Ergebnis seiner Arbeit ist eine opulente, leicht verständliche Komposition – eine Art musikalisches Bilderbuch, das vor den Zuhörenden aufgeblättert wird.

Musikalisches Bilderbuch
Pastor Sven Kießling übernahm die Eingangsworte in der sehr gut gefüllten Kirche und dankte Claudia Regel für die Gesamtorganisation des Konzerts sowie Baronin Kathleen Riedesel zu Eisenbach für die Schirmherrschaft. Mit einem kräftigen Ton des gesamten Orchesters begann dann das Oratorium – ein Urknall? Eher unwahrscheinlich, klang aber so. Danach: das Chaos. Ein schwebender Ton, harmonisch verworren, eine flirrende Klangfolge, so chaotisch und düster wie die Ursuppe selbst. Einen ersten Gänsehautmoment schuf dann die warme Bassstimme von Markus Lemke, der als Erzengel Raphael sang: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Erst als der Chor „Und es ward Licht!“ verkündete, brach mit gewaltiger Kraft die Helligkeit hervor.

Der erste Teil des Oratoriums handelt davon, wie Gott das Licht und die Erde mitsamt Himmelskörpern, Wasser, Wetter und Pflanzen erschafft. Der Chor und das Orchester schufen gemeinsam ein wunderbar harmonisches Klangereignis und die drei Solisten begeisterten mit ihren elementaren Darstellungen von Blitz und Donner, dem schäumenden Meer sowie Gottes Werk am Firmament, nämlich Sonne, Mond und Sterne.

Besonders abwechslungsreich kam der zweite Teil des Oratoriums daher, der die Entstehung der Tierwelt und des Menschen thematisiert. Haydn zeichnet in starken musikalischen Bildern die Erschaffung aller Lebewesen, von den Fischen bis zu den Landtieren. Erzählt wird Gottes Schöpfung mit den Worten der Genesis in Rezitativen, ausgeschmückt wird die biblische Handlung in Arien und Chorälen. Die kurzfristig eingesprungene Sopranistin Anne Schneider sang sich mit ihren lockeren Koloraturen als Gabriel schnell in die Herzen des Publikums. Ein Höhepunkt war ihre paradiesische Vogel Arie, in der sie leicht und spielerisch das frohe Lied der Lerche und das verliebte Taubenpaar besingt – begleitet von Klarinetten, Oboen und Flöten.

Große Singfreude
Im Wechselspiel mit den Solisten zeigte der Chor sein starkes Klangvolumen und eine große Singfreude. Das Orchester spielte ausgewogen und nie zu dominant, sodass sich die drei Solisten immer Gehör verschaffen konnten.

Im dritten Teil erzählten Markus Lemke als erschaffener Adam mit Anne Schneider als Eva in wunderbaren Liebesduetten von ihren glücklichen ersten Stunden im Garten Eden. Dort endet Gottes Wunderwerk der Schöpfung, denn den Sündenfall klammerte Haydn bewusst aus. Die Dirigentin Susanne Rohn brachte alle drei Teile des Oratoriums mit Leidenschaft und vollem Körpereinsatz zu einer sehr schönen, lebendigen Aufführung.

Das Pfingstkonzert bewies, dass Haydns berühmtes Oratorium auch 225 Jahre nach der Uraufführung nichts an seiner Faszination verloren hat. Und wenn die „Schöpfung“ das Publikum auch heute noch berührt, und dazu anregt, über die Verletzlichkeit unseres Planeten nachzudenken, dann ist Haydns Werk wertvoll und aktuell wie nie.

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Opulentes Werk in der Stadtkirche", 31.05.2023

Zurück