Packend bis zur letzten Sekunde
KONZERT Festliches Pfingstkonzert unter anderem mit Haydns spektakulärer Nelson-Messe
LAUTERBACH (Martin G. Günkel).
Wenn sich eine längere Komposition über besonders weite Strecken an der dynamischen Obergrenze bewegt, dann gehört viel dazu, um sie bis zur letzten Sekunde packend umzusetzen. Dem Chor der Lauterbacher Pfingstmusiktage und der Kurpfalzphilharmonie Heidelberg mit Dirigentin Hannelotte Pardall gelang das beim festlichen Pfingstkonzert in der Lauterbacher Stadtkirche.
Auf dem Programm standen die Streichorchester-Suite „Palladio“ von Karl Jenkins sowie das Cellokonzert Nr. 2D-Dur (Hob. VIIb: 2) und die Missain Angustiis in d-moll (Hob. XXII:11), beides von Joseph Haydn. Die bombastische Messe wird auch „Nelson-Messe“ genannt.Die Solo-Violine bei der Jenkins-Suite spielte der Konzertmeister der Kurpfalzphilharmonie, Arne Müller. Den Violoncello-Part im Haydn-Konzert übernahm Friedemann Pardall. Die Gesangssolisten der Messe waren Hanna Zumsande (Sopran), Beatrice Adriana Schwarz (Alt), Julian Rohde (Tenor) und Milad Kuhpai (Bass).
Der erste Satz der Jenkins-Komposition begann ganz sanft. Das klang wie ein leises Herantasten – gefolgt von einem Crescendo (deutsch: lauter werden), das wie ein Ankommen wirkte. Mit dieser Konsequenz zogen die Musiker die gesamte Darbietung durch. Arne Müller spielte seine Solo-Partsnie spektakulär, was bestens zu dieser Musik passte. Das Orchester umspielte die Violinsoli häufig kräftig, ohne Müller dabei zu übertönen – eine ausgesprochen gelungene Abstimmung. Der zweite Satz wirkte geheimnisvoll und sehr emotional.
Der dritte Satz ist für die Spieler etwas tückisch, denn darin läuft ein und dieselbe kurze Figur der ersten Geigen minutenlang durchverschiedene Harmonien. Durchein wunderbar pulsierendes Spiel und eine feine, natürlich wirkende Dynamik-Arbeit gelang es Pardall und den Musikern,dass diese recht lange Passage nicht langweilig wurde.
Auf diese Minuten mit dieser immer gleichen Figur folgt ein Moment des Spannungsaufbaus – auf den die Interpreten eine tolle Entladung folgen ließen. In Momenten wie diesem langte das Orchester immer zu und gab dem Ganzen die nötige Rauheit. Dieser eingängige Programmpunkt zeigte übrigens eine ganz andere Seite zeitgenössischer Musik als das Konzert des Mutare Ensembles tags zuvor – und trug damit zur Vielfalt bei, auf die die Pfingstmusiktage setzen.
Das Cellokonzert begeisterte mit rauer Eleganz beziehungsweise eleganter Rauheit. Die Übergänge zwischen Fröhlichkeit und Verträumtheit kamen ganz zum Zuge. Das Zusammenspiel zwischen Friedemann Pardall und dem Orchester war ein lebendiger Dialog. Auch beim Cellisten hielt sich das Orchester nie zurück und umhüllte die bestens durchkommenden Soli mit dicken Klängen. Bei der Kadenz (also ohne Begleitung) wurde besonders deutlich, wie gut der Cellist mit dem wunderbaren Raumklang der Stadtkirche arbeitete. Sein singender Ton und seine feinen dynamischen Übergänge – all das passte einfach.
Haydns Nelson-Messe ist extrem bombastischund erfordert gerade deshalb viel Feinsinn der Interpreten. Ausbrüche dauern meistens lange an und machen weite Teile des Werks aus. Solche Explosionen wirken nur dann, wenn vorher in leiseren Momenten der nötige emotionale Druck aufgebaut wird. Andernfalls wirken längere Ausbrüche auf die Dauer eher ermüdend. Diese Momente zum Spannungsaufbau sind in der Nelson Messe meistens nicht lang und häufig auch vergleichsweise wenig offensichtlich. Umso wichtiger ist es, sie alle zu nutzen. Keinen einzigen ließen Hannelotte Pardall und ihre Mitstreiter aus – und legten eine Interpretation hin, die bis zum letzten Takt atemberaubend war.
Die Komposition kommt gleich zur Sache in Form einer kraftvollen Orchester Einleitung. Die setzten die Musiker sehr markig um. Geradezu mit einem Donnerschlag setzte wenig später der Chor ein. Der hatte einen fetten, warmen Klang und bildete zugleich alle möglichen Nuancen ab. Gegen Ende des sehr bewegenden „Kyrie“ wurde die Musik für einen kurzen Moment ruhig –nur um für die Schlusstakte urplötzlich nocheinmal hochzukochen. Der Beginn des „Sanctus“ ist ein ruhiger Moment, auch wenn der nicht lange währt. Diesen Moment setzten die Beteiligten mit einer unbeschreiblichen Wärme um.
Eine klare Sopranstimme, ein warmer Alt, ein heller und zugleich voll klingender Tenor und ein sonorer Bass – das war eine gelungene Mischung. Die Solisten ergaben ein stimmiges Quartett, und auch ihre Interaktion mit dem Chor bei musikalischen Dialogen war bemerkenswert. Überhaupt harmonierten die Beteiligten miteinander. Das Ergebnis wird lange in Erinnerung bleiben.
Quelle: Printausgabe Lauterbacher Anzeiger, "Packend bis zur letzten Sekunde", Link zur Quelle, 10.06.2014