Rokokosaal des Hohhauses zum Klangbezirk erklärt

Klangbezirk
Foto: Klaus Scheuer

Das Vokalensemble Klangbezirk eröffnete die 39. Lauterbacher Pfingstmusiktage

erschienen bei Lauterbach-Anzeiger am 14.06.2011 (von Klaus Scheuer)

Wahrlich ein „opener“! Das Vokalensemble Klangbezirk eröffnete am Samstag die 39. Lauterbacher Pfingstmusiktage. Das Quartett eröffnete mit seinem Konzert im Rokokosaal des Hohhauses jedoch nicht nur das renomierte Festival, sondern erklärte den traditionsreichen Lauterbacher Konzertsaal kurzerhand komplett zum Klangbezirk. Alle, die Einlass gefunden hatten in diesen Klangbezirk, befanden sich mitten im Geschehen, hörend und auch als Klangerzeuger, denn das Publikum wurde als „Lauterbacher Gospelchor“ aktiv in den musikalischen Gestaltungsprozess einbezogen (“People get Ready“ von The Impressions).

Jazz und Pop a capella, so lautete der Untertitel des Konzertes, doch es wurde rasch klar, dass es eigentlich keiner musikalischer Schubladen mehr bedarf, wenn man den Klangbezirk betreten hat, denn in ihm gibt es keine Grenzen mehr. Alles ist Klang. Alles ist Musik. Kein Geräusch, das nicht Musik wäre. John Cage hatte recht. Aber kaum jemand macht dies so plausibel wie die vier Vokalisten von Klangbezirk. Tanja Pannier und Kathrin Scheer (Mezzosopran) sowie Juan Garcia und Mathias Knoche (Bariton) scheinen weder technische noch musikalische Grenzen zu kennen, und sie präsentieren dies mit seltener Natürlichkeit und Authentizität.

Das Quartett ist so authentisch und auf das Wesentliche konzentriert, dass seine Arrangements als die allein echten erscheinen. Interpretationen aus Jazz, Pop und Klassik ebenso wie die Eigenkompositionen der Gruppe. Hat es jemals originellere Versionen von „Back to The Garden“ (Joni Mitchell), „Er weidet seine Herde“ (Georg Friedrich Händel) oder „Man in The Mirror“ (Michael Jackson) gegeben? Die Frage interessiert plötzlich nicht mehr, denn Klangbezirk geht es um nichts Geringeres als die Essenz, das Wesen der Musik. Klingt hoch gegriffen, ist aber eigentlich ein nahe liegender Anspruch, wenn man lebendige Musik machen möchte. Und außerdem hätte sich Händel, lebte er heute, ohnehin in Jazzkneipen herumgetrieben, wie es Juan Garcia in einer seiner charmanten Moderationen behauptet. Der Stilmix von Klangbezirk ist kein postmoderner Eklektizismus sondern gewissermaßen eine Verbindung der musikalischen Elemente auf atomarer Ebene. Dabei ist die menschliche Stimme, oder weitergehend, der menschliche Körper als wohl elementarster Musikvermittler ein besonders glaubwürdiges Mittel. Atemgeräusche, Bodypercussion oder eben die Gesangsstimmen selbst. Diese werden von den vier Musikern in ihren gesamten individuellen Ausprägungen eingesetzt. Mezzosopran und Bariton erscheinen als vollkommen überflüssige Labels, nachdem man die klangliche Bandbreite jeder der vier Stimmen erlebt hat.

Eines wird klar mit Klangbezirk: Musik ist die vielleicht direkteste menschliche Ausdrucksform überhaupt, und sie benötigt dazu weder Instrumente noch Etikette oder Konventionen. So zu erleben in den wiederholten Zugaben des Quartetts: Auf Zuruf improvisieren die vier Wunschtitel (“Tears from Heaven“) und verarbeiten diese noch zu einer musikalischen Collage (“My Way“, „The Lion Sleeps Tonight“, „How Deep is your Love“).

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Rokokosaal des Hohhauses zum Klangbezirk erklärt", Link zur Quelle, 14.06.2011

Zurück