Elektrisierende Aufführung eines Meisterwerkes

Festliches Pfingstkonzert mit Händels berühmtem Oratorium „Saul“ - Wunderbares Werk, das nie schwer oder langweilig wird

erschienen bei Lauterbach-Anzeiger am 14.06.2011 (von Martin G. Günkel) 

Das festliche Pfingstkonzert der Pfingstmusiktage hat wieder einmal eine seltene Gelegenheit geboten, ein ganz besonderes musikalisches Werk in einer ganz besonderen, wunderbaren Aufführung zu erleben. Händels Oratorium „Saul“ stand auf dem Programm, aufgeführt vom Chor der Lauterbacher Pfingstmusiktage (Einstudierung: Claudia Regel) und dem Münchner Barockorchester L‘arpa festante unter der Leitung von Susanne Rohn, die schon oft bei den Pfingstmusiktagen aufgetreten war.

„Saul“ ist in zweifacher Hinsicht ein Meilenstein im Lebenswerk Georg Friedrich Händels. Es ist nämlich nicht nur musikalisch ein besonderer Höhepunkt seines Schaffens, sondern auch ein Wendepunkt in seiner Biographie.

Lange hatte sich der Komponist auf dem Gebiet der italienischen Opera seria bewegt. Anders als fest angestellte Komponisten wie der gleichalte Johann Sebastian Bach arbeitete Händel weite Teile seines Schaffens auf eigene Rechnung und war dementsprechend von der Publikumsgunst in ganz anderem Maße abhängig. Mehrfach ging er pleite. Nachdem er einmal nicht nur finanziell, sondern auch körperlich zusammengebrochen war, stellte er die Produktion italienischer Opern ein. Zuvor hatte er lange nicht wahrhaben wollen, dass diese Gattung nicht mehr beim Publikum ankam.

Stattdessen schrieb er nun Oratorien in englischer Sprache, wobei „Saul“ das erste dieser Werke war. Das Libretto stammte von Charles Hennens, mit dem Händel später noch bei anderen Oratorien, unter anderem beim „Messias“, zusammenarbeitete. „Saul“ schrieb Händel im Sommer 1738, am 16. Januar 1739 führte er ihn in London erstmals auf. Das Werk war ein großer Erfolg. Die Vertonung einer biblischen Geschichte mit einem englischen Textbuch war für viele Zuhörer erheblich zugänglicher als eine italienischsprachige Oper mit fern erscheinenden antiken Helden. Die eingängige Melodik und der große Klangfarbenreichtum machen Händels Musik zu etwas absolut Zeitlosem. Auch lange Werke wie „Saul“ werden nie schwer oder langweilig.

Das Lauterbacher Pfingstkonzert zeigte einmal mehr, dass eine hervorragende Aufführung eines barocken Werkes mit Orchester seine Basis in einer hervorragenden Arbeit im Generalbass hat. Die zuständigen Musiker des Orchesters sorgten mit viel Energie für den richtigen Groove, auf dem das Ganze aufbaute. Die Basis lebte und war geradezu elektrisierend. Alle übrigen Musiker im Orchester und im Chor agierten in der gleichen Weise.

Das waren beste Voraussetzungen, um auf alle Facetten in Händels wunderbarer Partitur zu reagieren. Egal, ob es leise, ruhige Airs waren oder prachtvolle Chorpassagen, ob es ein Harfensolo war oder eine Passage mit dem ganzen Orchester - die ganze musikalische Bandbreite des Werkes wurde lebendig. Selbst bei Rezitativen, die in anderen Aufführungen gegenüber allem Übrigen oft abfallen, blieb das Mitreißende der Musik. Wie allen Beteiligten war Dirigentin Susanne Rohn die Freude an der Musik anzusehen. Sie dirigierte lebendig und klar zugleich, und die Musiker reagierten bestens auf jede ihrer Bewegungen. Claudia Regel und der Chor hatten in den sechs Monaten vor der Aufführung beste Vorarbeit geleistet.

Besonders gelungen waren auch die Beiträge der Gesangssolisten, die alle einen hoch emotionalen Ausdruck mitbrachten. Die Titelpartie sang der Bassist Florian Rosskopp mit einer ausdrucksstarken und niemals zu harten Stimme. Das gleiche galt für den Tenor Hans Jörg Mammel, der neben Sauls Sohn Jonathan weitere Partien übernahm.

Die Kastraten-Partie des David sang der Altus Maarten van Leer. Die Kopfstimme so voll klingen zu lassen, dass sie nicht unbedingt als Kopfstimme erkennbar ist, gehört zur Kunst in van Leers Fach, und das gelang ihm auf grandiose Art und Weise.

Die beiden Sopranistinnen begeisterten mit ihren warmen Stimmen. Laurie Reviol als Sauls Tochter Merab sang oft etwas voluminöser, Heike Heilmann als Merabs Schwester Michal oft etwas zarter. Beide fanden damit genau den richtigen Ton für ihre jeweilige Partie.

Die Altistin Kerstin Klein hatte mit der Hexe von Endor nur eine kleine Partie, aber ihr Beitrag gefiel ganz besonders gut. Sie schaffte es nämlich, mit einfachen, aber effektiven Mitteln, die Hexe von den übrigen Figuren abzusetzen. Die Art, wie sie ihre Rezitative darbot, ging - anders als bei den anderen Sängern - deutlich in Richtung Sprechgesang. Bei ihrer Air verzichtete sie gänzlich auf die Klangfarben, die bei der so genannten klassischen Art zu singen üblich sind.

Die Passage mit der Hexe war auch ein besonders großer Moment des Orchesters, das die gruselige Musik spannungsvoll intonierte - so weit überhaupt von besonderen Momenten die Rede sein kann. Denn diese Aufführung war eigentlich ein einziger großer Moment, es stimmte irgendwie alles.

Den großen und herzlichen Applaus am Ende gab es zu Recht. Die allermeisten Plätze waren besetzt, ganz ausverkauft war das Konzert jedoch nicht. Das aber hätte es verdient gehabt. Wer gekommen war, wird diese Aufführung sicher noch in ein paar Jahren in bester Erinnerung haben.

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Elektrisierende Aufführung eines Meisterwerkes", Link zur Quelle, 14.06.2011
 

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